Kochen für Schlampen – Hamburg, Berlin, Zürich

24. Oktober 2010

Orata a la Ligure

Einsortiert unter: Beschaffung,Ganzes Essen,Meereszeug,Tier,Trainingscamp — groefaz de la cuisine @ 18:58

Mit steigendem alter ist man ja allermeistens immer weniger schnell wirklich zu beeindrucken. Kulinarische offenbarungen werden entsprechend seltener, oder sind nur noch mit wirklichem aufwand zu erlangen. Seit dem Steak bei Peter Luger ( siehe Trip Report: Peter Luger Steakhouse, Brooklyn, NY ) im letzten jahr gab es keine (bei mir), bis ich im August an die ligurische küste fuhr und dort das glück hatte, bei Rosa im Restaurant Rosa in Camogli einzukehren.

Das familienbetriebene restaurant liegt hier, mit einem sensationellen ausblick entlang der ligurischen küste und hat unter anderem unterschiedliche fische „a la Ligure“ auf der karte.

Ich hatte Orata a la Ligure. Und himmel, war die gut! Weit über allem, was ich bisher als fisch auf dem teller hatte. Mein hirn schaltete sich zwischenzeitlich ab und ich war nicht ansprechbar.

Das ganze ensemble auf dem teller war molto semplice. So dermassen molto semplice, dass ich nichts fand, an dem ich mich festhalten konnte um mir diese gschmackskomposition zu erklären.

Das ganze ist dramatsich einfach und schafft es dabei doch eine fantastisch balancierte, vielschichtige textur- und geschmackslandschaft (mit nachhall) aufzuspannen, die an ein grossen kunstwerk grenzt.

Wieder zuhause stand ich vor der frage: Was tun? Wie baue ich das nach? In den folgenden wochen brachte ich zwei (gescheiterte) versuche hinter mich, das ganze aus der erinnerung reverse-zu-engineeren. Es klappte nicht. Falsche oliven, falsche kartoffeln, fisch ohne haut, petersilie und knoblauch im öl (falsch!) und ein gewisses niveau an angehäufter frustration stellte sich ein.

Das wissend, schenkte mir die in Genua halb-lokale freundin zum geburtstag jetzt die aufschrift eines interviews dieser tage mit der köchen des restaurants Rosa zum thema „wie macht ihr die orata a la ligure eigentlich?“. Grosse freude! Und damit das rezept einmal ganze exakt wie es sein muss durchcompiliert, kamen die direkt aus Genua importierten zutaten gleich mit. Bis auf den fisch, der kam frisch vom lokalen fischhändler in Zürich.

Die zutaten sind also Fisch, Kartoffeln, Oliven, Pinienkerne, Salz, Olivenöl, Wein, Zitrone. Sonst nichts. Gar nichts.

Wie gesagt, molto semplice. Fast schon militant einfach. Deshalb z.b. auch kein knoblauch und kein pfeffer. Und eben darum spielen die art und herkunft der zutaten eine so definierende rolle. Ich werde in den nächsten monaten versuchen entsprechende zutaten in Zürich zu sourcen und stelle mich auf eine lange und harte zeit ein.

Zum fisch. Geeignet sind z.b. orata (goldbrasse/dorade), spada (schwertfisch) oder branzino (worlfsbarsch). Das filet muss mit haut sein. Für den geschmack und damit man die filets später wenden kann ohne dass sie zerfallen. Je dicker das filet, desto besser. Wenn es keine filets mit haut gibt oder der fischhändler sich weigert sie einem so zu filetieren, lieber ausgenommene, ganze fische (bei orata und branzino) kaufen und selber filetieren. Das ist arbeit. Aber dieses gericht dultet keine halbherzigkeiten.

Kartoffeln.

Ich habe diese festkochenden „patate di romagna“ aus dem supermarkt in Nervi mitgebracht bekommen. Sehr aromatisch und festkochend. Beim guten gemüsehändler sollte man ein brauchbares äquivalent finden können. Aus sicherheitsgründen wurde hier nicht rumgekaspert und erstmal der ligurische lokale defaultwert (der hier bei genauem hinsehen aus der emilia romagna kommt) auf dem bild oben geladen.

Olivenöl. Aus ligurischen oliven, mild und top qualität.

Sicherheitshalber wurde auch hier das öl direkt aus Nervi importiert. Halte ich bei sorgfältiger auswahl für ersetzbar durch etwas aus der lokalen olivenöl-schnöselbude. Ligurisch typisch wenig säure, plausibel auch wirklich aus ligurischen oliven gemacht – und nicht womöglich nur dort aus z.b. spanischen oliven gepresst.

Zitrone, Pinienkerne, Oliven

Auch alles aus Genua direktimportiert. Die pinienkerne waren ordentlich, sollten aber genausogut hier zu finden sein. Die zitrone hingegen ist schon etwas anspruchsvoller. Der saft dieser zirone hier ist deutlich weniger sauer bei zitronen, die man hier im supermarkt findet und klar intensiver im geschmack. Diese durch lokalbezug zu ersetzen wird schwieriger, ist aber womöglich kein dealbreaker wenn sie nicht exakt dasselbe ist. Die oliven hingegen sind ein absolut kritisches element. Diese schwarzen, kleinen, milden und festen ligurischen oliven mit kernen sind einer der geschmackstützpfeiler des gerichts. Ich habe hier noch keine entsprechend guten gefunden, schliesse aber nicht aus mit genügend aufwand solche oder vergleichbare zu finden. Alle, die ich bisher versucht habe aus lokaler quelle, waren leider einfach nicht elegant genug in form, textur und geschmack. Schwierig!

Salz.

Kein foto. Irgendein meersalz. Ich hatte grobkörniges, handgeschöpftes meersalz aus der salzidiotenecke im jelmoli.

Wein

Tschoh. Es muss einer dieser schnörkellosen, eleganten, mittelmächtigen, etwas buttrigen ligurischen weissweine sein. Dieser hier ist ein Lievantu Coasta di Mattelun 2009 aus den rebsorten Arborola und Bosco.

Vorgehen:

Kartoffeln (wenige, vielleicht 1-2 stück pro person) schälen und in ca 8mm dicke scheiben schneiden. 2-4 esslöffel pinienkerne auf dem boden einer grossen pfanne (für die ein passender deckel in reichweite für später liegt) trocken anrösten. Vom feuer nehmen und mit einem schuss wein ablöschen, dass die temperatur unter 100 grad sinkt. Die kerne in der pfanne dann sehr, sehr grosszügig mit olivenöl begiessen und mit nochmal mit wenigstens genausoviel weisswein anreichern und aufkochen. Bei mir stand dann sicher mehr als ein halber zentimeter flüssigkeit in der pfanne. Die kartoffelscheiben flach auf dem boden der pfanne verteilen, 2-4 esslöffel von den oliven in die pfanne geben, den saft einer kleinen zitrone (je nach säure der verwendeten fruch evtl. weniger) dazugeben und grosszügig mit meersalz überstreuen. Deckel drauf und das ganze bei mittlerer bis kleiner hitze bei geschlossenem deckel ca. 20 minuten schmoren / dünsten lassen – bis die kartoffeln so gut wie gar sind und sich aus der stärke der kartoffeln mit dem öl, den pinienkernen, dem  zitronensaft, dem wein und den oliven eine im ansatz sämige flüssigkeit gebildet hat. Dann, die selbst auch gesalzenen fischfilets auf dem ganzen ensemble verteilen, ohne dass sie sich überlappen, evtl. noch etwas wein nachgiessen und bei geschlossenem deckel – je nach dicke – 4-8 minuten garziehen lassen. Am besten nach der hälfte der zeit einmal wenden. Auf dem teller anrichten. Molto semplice eben.

Heraus kommt das hier:

Und es sei mir geglaubt: es schmeckt noch um mehrere grössenordnungen besser als es aussieht.

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7 Kommentare »

  1. Das trübe Züri-wetter verursachte zwar Blaustich auf dem Foto, hat aber keinen Einfluss auf Aussehen und Geschmack des Tellergerichtes. Das will ich einmal mit den bräunlichen Taggiascaoliven LeRoy aus der Olivenecke beim Jel.moli nachkochen.

    Kommentar von lamiacucina — 25. Oktober 2010 @ 07:14 | Antworten

    • Bin grad dran das ganze mit St Pierre filet, den braunen aus den jelmolinschen taggiascaoliven, la ratte und schlichtem fetzer chardonnay zu imitieren. I’ll report.

      Kommentar von groefaz de la cuisine — 25. Oktober 2010 @ 20:16 | Antworten

    • Ach und danke, den blaustich hab ich bisher nicht beachtet. Ich werd mich drum kümmern, dass die bilddokumentation auf den amtlichen stand gebracht wird.

      Kommentar von groefaz de la cuisine — 25. Oktober 2010 @ 20:22 | Antworten

      • So, besser so? Ohne blaustich im bild, meine ich?

        Kommentar von groefaz de la cuisine — 27. Oktober 2010 @ 08:58

      • Ja, scheint weg zu sein.

        Kommentar von kochschlampe — 27. Oktober 2010 @ 09:10

  2. Das ist wirklich ein Rezept nach meinen Geschmack: puristisch und wenn es richtig durchgeführt wird lecker lecker.

    Kommentar von kormoranflug — 27. Oktober 2010 @ 19:20 | Antworten

  3. wow, das ist ein Rezept, was ich bestimmt nachkochen werden. An einem dunkeln langen Winterabend soll es mir einen Hauch von Sommer ins Haus bringen. Danke fürs Rezept.

    Kommentar von Rina.M. — 27. Oktober 2010 @ 20:43 | Antworten


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